Mutterschafts-Geburtstags-Gedanken
I
Anita Schmid hat dieses unfassbare Bild von mir gemacht, kurz vor „Alles Bleibt“, und ich habe es noch nie gezeigt, weil ich nicht wusste, in welchen Kontext diese Pose passt. Nun. Ich habe ein paar Posts über Mutterschaft geschrieben, denn mein älteres Kind hatte Geburtstag und an diesem Tag hab ich im großartigen Buch von Mareice Kaiser einen Satz über’s Künstler*innen- und Mutter-Sein gelesen, der mich darin bestätigt hat, mehr über diese meine Rolle zu reden. Also beginne ich den Reigen mit einem Foto, das all mein weibliches Selbstbewusstsein auf den Punkt bringt. Danke, Anita Schmid
Ich bin jetzt seit 9 Jahren Mutter.
Dass ich immer noch bzw. wieder Musik mache und öffentlich etwas mitteilen kann und will, ist nicht selbstverständlich. Viele Jahre lang war es nicht so, die Erschöpfung war zu groß, die Relevanz nicht spürbar. Ich dachte, ich hätte nichts Interessantes mehr zu geben. Im Laufe der Jahre und des Lebens, im Laufe der Lieder und der Blog-Einträge hat sich das Bild gewendet: ich weiß jetzt, dass es höchst relevant ist, als Mutter Kunst zu machen. Das beinhaltet auch: als Mutter den Mund aufzumachen, nicht zu verschwinden in der Privatheit des eigenen Familienlebens.
Dass ich immer noch öffentlich Musik machen kann, hat viele Gründe, der erste Grund heißt Sixtus Preiss mit dem ich Care-Arbeit und -Zeit teile. Der zweite große Grund ist unsere (Groß-)Familie, ein unbezahlbares Netzwerk aus Liebe, Zeit, Ressourcen. Es gibt noch viele kleinere Gründe, von Glück mit Pädagog*innen bis zu guten Gagen auch in veröffentlichungs-armen Zeiten. Das muss gesagt werden. So sehr ich will, dass alle Mütter eine*n gleich engagierte*n Partner*in und eine liebevolle Großfamilie haben, so sehr weiß ich, dass dem nicht so ist, und dass es eigentlich Aufgabe unserer Gesellschaft und von Entscheidungsträger*innen ist, dafür zu sorgen, dass diese Privilegien nicht die Bedingung für mütterliches Kunst-Schaffen sein dürfen.
II
Meine Mutterschaft in der Öffentlichkeit zu thematisieren, dafür hab ich mich bewusst entschieden. Das Eltern-Werden ist nicht nur zutiefst persönlich, es ist auch eine Erfahrung, zu der wir alle – als Kinder von Eltern oder als Eltern von Kindern – einen emotionalen und persönlichen Bezug haben. Und es ist eine Erfahrung, die geprägt ist von der gesellschaftlichen Struktur, in der wir uns bewegen. Geprägt von alten Rollenbildern, die sich nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern ganz konkret in unserem Steuersystem, im Kinder-Betreuungs-Angebot, im Bildungssystem, in Unternehmensstrukturen, in der Medienlandschaft etc.etc. manifestiert haben.
Geprägt auch von der Erwartung, dass frau mit der Mutterrolle glücklich sein muss, um eine „gute Mutter“ zu sein. Dabei muss man sich ja erst einmal selbst neu kennenlernen, in der neuen Rolle, mit den neuen Begebenheiten, mit diesem Wesen, das alles von einem will und so vieles braucht. Wie soll man da von null auf hundert glücklich und zufrieden sein? Bei mir war das nicht so. Ich war erst einmal überfordert, schlaflos, depressiv. Das in der Öffentlichkeit laut zu sagen hab ich mich erst ein paar Jahre später getraut, und war erstaunt und berührt, als mir so viel Resonanz und Dankbarkeit entgegen schwappte. Endlich mit-teilen, dass ich das alles als unheimlich schwierig empfinde und dann hören, dass es so vielen ganz genauso geht. Was für eine Erleichterung.
Unsere intimsten Erfahrungen haben oft gesellschaftliche Relevanz, weil sie eng verknüpft sind mir den Strukturen und Erwartungen, die uns umgeben. Ihnen Ausdruck zu verleihen, kann 1. andere in der gleichen Situation erleichtern und 2. helfen, alte Bilder aufzubrechen.
III
Die Liebe zu den Kindern ist absolut und unteilbar und ohne Grenzen, sie ist aber kein Garant für ein glückliches Mutter-Sein. Das eine hat mit dem anderen nur bedingt zu tun, bzw. tut die Liebe auch oft weh, weil das Muttersein gerade nicht leicht ist, und man die Mutter, die man gerne wäre, gerade nicht sein kann. Das will ich nicht immer dazu sagen müssen, aber ich tu es, weil diese Unterscheidung oft nicht mitgedacht wird, wenn man sich kritisch über die eigene Mutter-Rolle äußert.
IV
Ich selbst bin immer sehr dankbar für Frauen, die differenziert über ihre Mutterschaft erzählen. Ich will für andere eine dieser Frauen sein. Die sagen, wie es für sie ist, und sehen, dass diesem „für sie“ gesellschaftliche Bedingungen und Strukturen zu Grunde liegen, denen sie ausgesetzt sind. Die Mütter, die wir sein wollen, können wir oft nicht sein, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der Mutter-Sein zu Benachteiligungen, Nicht-Einstellungen, Kündigungen führt. Zu Altersarmut, momentaner Armut, chronischem Zeitmangel. Außerdem von allen kommentiert und bewertet wird. In den letzten Jahren bin ich sehr oft an dieser Rolle gescheitert, und habe mich sehr oft sehr schlecht gefühlt, weil ich dachte, dass ich etwas nicht schaffe, das alle anderen schon schaffen. Bullshit! Künstlerin und Mutter zu sein, und beides gut machen zu wollen, in einer Gesellschaft, die immer noch davon ausgeht, dass Männer die Hauptverdienenden sind und Frauen die Kümmernden, ist verdammt herausfordernd. Und an den eigenen Ansprüchen zu scheitern ist in diesem Rahmen selbstverständlich. Und nein, ich meine nicht die Ansprüche, eine immer aufgeräumte Wohnung, fleckenlos gebügelte Kinderkleidung, und ein immer frisch gekochtes abwechslungsreiches Essen mit schmackhaftem Gemüse am Tisch stehen zu haben. Ich will einfach nur eine Mutter sein, die ihre Kinder gut begleitet, und eine Künstlerin, die Relevantes von sich gibt. Wie jeder Vater, der auch Künstler ist, auch.
Wenn ihr das Thema vertiefen wollt, empfehle ich euch Mareice Kaiser’s Buch „das Unwohlsein der modernen Mutter“, das die Zusammenhänge zwischen persönlichem Unwohlsein und der gesellschaftlichen Struktur, innerhalb der wir hier im deutschen Sprachraum Mutter werden, beschreibt. Lest, egal welches Geschlecht ihr habt oder ob ihr Eltern seid / sein wollte / wart / nie werdet. Das Thema ist so weitreichend, dass es mit uns allen zu tun hat.
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