Zwischenansage #1

Bis ich endlich wieder auftreten kann und euch live begegne, werde ich einmal in der Woche eine Zwischenansage schreiben bzw. als Video auf instagram veröffentlichen. Denn ich vermisse die Interaktion mit euch, und außerdem muss ich üben, ich hab immerhin schon seit Monaten kein Live-Konzert mehr gespielt und am 10. Juni ist es endlich wieder soweit (Details kommen noch). Und als ich dieses Vorhaben letzte Woche gepostet hab, kam gleich eine Frage ins Haus gefalttert:

Warum beruhigt dich deine Kleinheit? Des wollte ich immer schon mal wissen. Und wieso gefallt es auch der Grafikerin so gut, die ein Poster daraus gemacht hat…

Anna

Also: Mein Gefühl für Verantwortung meiner Umwelt gegenüber war immer schon groß, ob es jetzt die Rücksicht auf die Gefühle meiner Mitmenschen oder mein CO2-Fußabdruck sind: ich will’s gut machen. Richtig. Oder so wenig falsch wie möglich. Ich möchte ein guter Mensch sein und auch selbst erfolgreich und anerkannt und wertgeschätzt sein. Vielleicht, weil ich mich dann wertvoll(er) fühle. Als funktionierenden Teil der Gesellschaft und der Welt als Ganzes. Das kennt ihr vielleicht. Nur scheitere ich regelmäßig an den Ansprüchen, die ich an mich selbst hab. Das kennt ihr vielleicht auch. Das Leben ist eben komplizierter, wenn man gewissenhaft ist. Das gut-sein-wollen, das richtig-machen-wollen ist ja im Detail für jeden etwas anderes, aber ich bin mir sicher, dass viele von euch das Gefühl kennen.

Das Lied „Mehr Sein“ stammt aus der Zeit, als mein erstes Kind ein winziges Baby war. Mein immer schon präsentes Verantwortungsgefühl war natürlich ins Unermessliche gewachsen, weil es jetzt auch noch die sehr reale und unübersehbare Verantwortung für ein ein Baby gab. Einen Menschen! Ein Leben! Mir ging es sowohl körperlich als auch physisch nicht gut in dieser ersten Zeit des Mutter-Seins, und ich konnte mich lange nur um das Unmittelbare kümmern: Essen, Trinken, Schlafen, Wickeln, Stillen, Füttern, Waschen, Zähneputzen, Schlafen, so viel Schlafen wie’s nur geht. Das, was sonst noch auf meiner Liste stand – EIN GUTER MENSCH SEIN! Außerdem: Lieder schreiben und ihre Produktion organisieren, Jobs an Land ziehen, in den sozialen Medien präsent sein, einen Musikvideo-Dreh oder ein Konzert organisieren – all das schien unmöglich. Nicht einmal mehr eine verlässliche Freundin war ich. Ich hatte das Gefühl, auf den meisten Ebenen meines Lebens zu versagen. Im Hintergrund brodelte die Sorge, nichts wert zu sein, solange ich es nicht bewiesen habe. Und das Dumme daran ist, man muss es immer wieder tun, und auf allen Ebenen des eigenen Lebens, wenn man sich diesem Mechanismus aussetzt. Und dann hat mir eben dieser Gedanke an meine eigene Kleinheit immer sehr geholfen.

Meine Kleinheit beruhigt mich

eine Zeile aus „Mehr Sein“

Ich habe also, so oft ich konnte, in den Nachthimmel geschaut und die Sterne gesehen. Das hat so vieles relativiert: im Angesicht der Unendlichkeit sind alle meine Sorgen und hohen Ansprüche an mich selbst plötzlich ganz klein. Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe der Welt, ein noch kleineres im großen Universum, und egal was ich tu oder lasse, es wird die Welt nicht ins Wanken bringen und die Ewigkeit da draußen schon gar nicht. Das heißt nicht, dass ich meine Achtsamkeit aufgebe, drauf pfeife, wie ich die Welt hinterlasse, denn die Menschen und die Natur um mich sind mir viel wert. Es heißt nur, dass es ok ist, dass ich nicht perfekt bin. Das hat mir den Stress genommen. Diese Last war weg. Selbst wenn ich es nie „zu etwas bringe“, ist das eigentlich ganz und gar, durch und durch, vollkommen egal. Die Sterne sagen mir: du bist unendlich klein und doch dein eigenes Universum, also mach dich nicht abhängig von den Begehrlichkeiten dieser Gesellschaft, sondern genieße es, zu leben, und tu, was du willst.

Die größten Erfolge und das schmerzhafteste Scheitern werden unbedeutend, wenn man sich den Nachthimmel anschaut.

Das mag ich.

Das tut mir gut.

Das rückt mich zurecht.

Ich weiß dann, dass es nur um den Moment geht, um die Liebe, darum, wie ich mich fühle und ob ich die Liebe fließen lassen kann. Alles andere ist egal. Denn ich selbst bin winzig klein, mein Leben ein kurzer Augenblick im Angesicht der Ewigkeit, und was ich tu und lasse ist für den großen Lauf der Dinge nicht wichtig. Und ja, meine Umwelt ist mir trotzdem wichtig, die Menschen, die ich liebe, und die Natur, von der wir leben, will ich schützen. Aber ich muss mich nicht wegen allem, was ich nicht gut schaffe, schlecht fühlen. Ich glaube schon daran, dass die Summe all meiner Handlungen die Welt irgendwie beeinflusst, aber erstens: nur gemeinsam schaffen wir Großes, nie allein; und zweitens: wenn ich im Großen und Ganzen alles so mache, wie ich es für richtig halte, dabei aber hin und wieder in den Gatsch greife und scheitere, ist das nichts Schlimmes. Und wenn ich dann wieder in den Himmel schau, ist es, als wäre das der Beweis. Das nimmt mir meine Schwere, macht mich leichter.

Also: meine Kleinheit beruhigt mich.

Danke, Anna, für’s Fragen, es hat mich gefreut, diesen Gedanken zu formulieren. Und was Simone betrifft, die Künstlerin, die den Kunstdruck zu dem Satz gestaltet hat (zu erwerben hier): ich weiß nicht, ob sie es genauso sieht, aber ich hab sie schon gefragt, und gebe dir bescheid, wenn ich eine Antwort hab.

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